Die Bildungsarbeit der IG Metall im Bildungshaus Sprockhövel.
„Sprockhövel, wo is das denn?“ war die Reaktion, wenn ich von meinem Praktikumsort erzählt hab. (ich weiß, dass du, liebe Leserin, jetzt entweder selbst googelst, oder im Kopf deine Deutschlandmappe abrufst….😀 ). Ich hab es gsd rechtzeitig herausgefunden und bin jetzt seit einer knappen Woche hier.
Das Bildungshaus der IG Metall liegt weit abgeschieden mittem im Wald, der nächste Ort, der nächste Supermarkt oder Ähnliches sind km weit entfernt, die Anreise von Flughäfen oder Bahnhöfen ist mehr als mühsam. Einmal hier angekommen, möcht man gar nicht mehr weg, u.A. weil einem die Reise mit der Deutschen Bahn und Co. bereits genug Nerven gekostet hat…


„Na bumm, das hört sich ja mühsam an“, wird sich die Leserin jetzt fragen (ich geb zu, ich hab mich das auch…) Ist es nicht, im Gegenteil, es ist gut so. Es is ein wenig wie Bootcamp für Erwachsenenbildung. Ausgezeichnetes Essen, Fitnessstudio, Wellnessbereich, Massagen, E Bikes zum Ausborgen, Sprockhövler Hauswein, eine Bibliothek und eben das viele Grün, sorgen dafür, dass die Seminare nicht um 17:00 enden, sondern durch Austausch Diskussionen weitergehen (können) und „sickern“ können. Vor allem aber ist für eine gehörige Portion Urlaubs- Wellnessfeeling gesorgt….
Das Konzept ist sehr inklusiv, Bildung soll allen möglich gemacht werden, so gibt es neben Leihlaptops, Mehrsprachigkeit und Taxidienst auch Kinderbetreuung (die mich sehr beeindruckt, weil Betreuungspflichten tatsächlich oft einen Ausschlussgrund von Bildungsveranstaltungen darstellen, wie ich ja schon selbst oft erlebt habe).


„Ganz schön viel Aufwand für ein paar Tage Seminar…“ wird man sich jetzt denken… (zumindest ich habs mir gedacht, nachgefragt und – für mich- erstaunliche Antworten bekommen.) So funktioniert gewerkschaftliche Bildungsarbeit in Deutschland:
Bildungsurlaub: Es gibt in fast allen deutschen Bundesländern (Ausnahmen sind Bayern und Sachsen) das Recht auf 5 Tage Bildungsurlaub/ Jahr für alle ArbeitnehmerInnen. Unabhängig von Kollektivvertrag, Voll- oder Teilzeit oder Branche kann jedeR ArbeitnehmerIn eine Woche/ Jahr für seine Fortbildung nutzen, bei vollem Entgeltbezug. Die IG Metall übernimmt für ihre Mitglieder z.B. die anfallenden Seminar- und Unterkunftkosten. Arbeitgeber und Gewerkschaft teilen sich also quasi die Kosten ( Arbeitgeber – Entgelt, Gewerkschaft- Seminar und Verpflegungskosten). Das führt -neben Urlaub im Bildungshaus Sprockhövel-dazu, dass es auch ein umfassendes Angebot für Mitglieder gibt und gewerkschaftliche Bildung nicht nur für FunktionärInnen offen steht bzw. konzipiert wird.


Die Bildungsfreistellung für BetriebsrätInnen und FunktionärInnen ist ebenfalls völlig anders organisiert. Während in Österreich für Betriebsräte – bis auf ein paar Ausnahmen- 3 Wochen + 3 Tage bei der einfachen Bildungsfreistellung/ Funktionsperiode zur Verfügung stehen, wird in Deutschland zwischen „erforderlicher“ und „sinnvoller “ Fortbilung unterschieden. Alle Veranstaltungen, die als „erforderlich“ eingestuft werden, sind – unabhängig von ihrer Dauer- zu bewilligen und vom Arbeitgeber zu bezahlen.
Das hat zur Folge, dass die meisten Seminare hier eine, manche sogar zwei Wochen andauern und Betriebsräte gern und oft von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und so up to date bleiben. Der Wehrmutstropfen ist allerdings, dass gewerkschaftliche Bildung kein Monopol der Gewerkschaft ist, sondern auch private Anbieter am Markt mitmischen wollen.
„Wie ist das jetzt im Detail?“ „Wie sind die Seminare inhaltlich und organisatorisch aufgebaut?“, „Wie arbeiten dt. Betriebsräte eigentlich, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibts?“, „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“, „Wie is es so, mittem im Ruhrgebiet?“, „Verstehst du sie, verstehen sie dich?“ … – Fragen, die ich mir so von Bildungssekretären, Freunden und Familie gestellt werden und auf die ich mitunter sehr spannende (und überraschende) Antworten finde. Ich werde in den nächsten Wochen berichten, stay tuned….